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Mit Book & Claim nachhaltig on Tour

Wir alle sind gefordert, die Emissionen zu senken. Doch hierfür fehlt es noch in weiten Teilen an der passenden Infrastruktur. Das Book & Claim-Verfahren bietet aktuell eine Brücke zur Kompensation von CO₂-Ausstoß, bis Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen. Bereits heute setzt die Geis Group dieses Modell erfolgreich ein – und ist damit Vorreiter für eine nachhaltigere Transportzukunft. Wer diese Entwicklung maßgeblich mitgestaltet hat, ist Marcus Wieser (MW), Leiter Nachhaltigkeit Geis Gruppe Deutschland. Wir haben bei ihm nachgefragt.
Herr Wieser, Book & Claim ist in der Logistik ein relativ junges Konzept. Können Sie kurz erklären, was sich dahinter verbirgt und wie es funktioniert?
MW: Unser Konzept erlaubt es, dass die tatsächliche CO₂-Einsparung durch die Verwendung von nachhaltigen Technologien wie biogenen Kraftstoffen (z. B. HVO100) oder erneuerbaren Energien unabhängig von der physischen Durchführung des Transports „gebucht“ und „beansprucht“ werden kann, ohne dass eine direkte Verbindung zu den Transporten oder Aktivitäten bestehen muss.
Damit können unsere Kunden ihren CO₂-Ausstoß zu verringern, ohne in die entsprechende Technologie oder Infrastruktur zu investieren. Stattdessen erwerben sie Gutschriften für die Einsparung von CO₂, die durch unsere Transporte mit alternativen Kraftstoffen erzielt werden. Das zahlt insbesondere auf die Klimaziele unserer Kunden bei der Reduktion ihrer Scope 31-Emissionen ein.
Welche Vorteile hat das Modell gegenüber anderen CO₂-Kompensationsmethoden, wie z. B. Bäumepflanzen?
MW: Der Einsatz alternativer Kraftstoffe in unseren Flotten bietet den Vorteil einer direkten, messbaren CO₂-Reduktion in den eigenen Prozessen und das direkt hier vor Ort in Europa. Während Baumpflanzungen zweifellos einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten, ist ihre Wirkung oft langfristig und verzögert, da Bäume über Jahre hinweg CO₂ binden. Darüber hinaus gibt es in der Praxis Herausforderungen wie die tatsächliche Langfristigkeit des Baumbestands oder die Unsicherheit, ob die gepflanzten Bäume tatsächlich so viel CO₂ binden wie erwartet. Im Gegensatz dazu ermöglicht der Einsatz von HVO100 eine sofortige und nachvollziehbare Reduktion des CO₂-Ausstoßes. Das bietet Unternehmen eine direkte, transparente und effiziente Möglichkeit, ihre Klimaziele zu erreichen.
Beim Einsatz unserer Kraftstoffe ist es dabei entscheidend, dass diese nicht nur emissionsarm, sondern auch nachhaltig produziert werden. Deshalb achten wir streng darauf, dass unsere Lieferanten nur Rest- und Abfallstoffe verwenden – beispielsweise Altspeiseöle – und kein Palmöl, wie es auch in der RED-II-Richtlinie (Renewable Energy Directive) der EU für fortschrittliche Biokraftstoffe vorgesehen ist.
Die Geis Gruppe setzt gemeinsam mit Siemens auf HVO100 in Kombination mit Book & Claim. Was macht dieses Projekt besonders? Wie funktioniert das Modell konkret in der Praxis bei Geis?
MW: In unserem gemeinsamen Projekt mit Siemens wird der CO₂-Ausstoß, der durch den Einsatz von HVO100 in der Geis-Flotte eingespart wird, Siemens als CO₂-Reduktion angerechnet, auch wenn nicht alle Sendungen physisch mit HVO-Lkws transportiert werden. Diese innovative Lösung trägt zur Klimaneutralität bei und unterstützt Siemens bei der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele. Durch die enge Zusammenarbeit können beide Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategien optimieren und gleichzeitig einen praktischen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Wie wird sichergestellt, dass die CO₂-Einsparungen tatsächlich stattfinden und auch nicht doppelt gezählt werden?
MW: Hierfür haben wir ein sicheres IT-System etabliert, das den gesamten Prozess transparent und nachvollziehbar abbildet. Dieses System garantiert, dass jede Einsparung korrekt erfasst und zugeordnet wird, sodass eine doppelte Zählung ausgeschlossen ist. Zusätzlich wird die Richtigkeit und Integrität der Daten regelmäßig von akkreditierten Wirtschaftsprüfern überprüft und bestätigt, um höchste Prozesssicherheit und Vertrauenswürdigkeit zu gewährleisten.
Welche Rolle spielt Ihre eigene Tankstelleninfrastruktur und Ihr Fuhrpark in der Umsetzung?
MW: Wir tanken das HVO100 ausschließlich in unsere eigenen Fahrzeuge. Unsere Tankstelleninfrastruktur und unser Fuhrpark sind zentrale Dreh- und Angelpunkte für die Umsetzung des HVO100- und Book & Claim-Modells. Durch den hohen Anteil eigener Assets haben wir die Kontrolle über den Kraftstoffeinsatz und die Transportprozesse. In Kombination mit unserer leistungsstarken IT-Infrastruktur können wir die CO₂-Einsparungen zuverlässig erfassen, steuern sowie dokumentieren und damit eine transparente und sichere Umsetzung des Konzepts gewährleisten.
Welche Bedeutung hat die Partnerschaft mit Siemens für Sie und die Entwicklung nachhaltiger Logistiklösungen?
MW: Unser Projekt mit Siemens ist ein herausragendes Beispiel für eine langjährige Partnerschaft, insbesondere auch im Bereich Nachhaltigkeit. Die enge Zusammenarbeit zeigt, wie innovationstreibende Partnerschaften dazu beitragen können, nachhaltige Lösungen in der Logistikbranche zu entwickeln und gleichzeitig die Nachhaltigkeitsstrategien beider Unternehmen zu stärken. Der Einsatz von HVO100 im Rahmen eines Book & Claim-Modells ist eines von vielen Beispielen.
Geis verfolgt mit der „Mission Zero“ ein ambitioniertes Ziel: klimaneutrale Logistik bis 2040 in Scope 1 + 21. Welchen Beitrag leistet Book & Claim auf diesem Weg?
MW: Der Einsatz alternativer Kraftstoffe wie HVO100 oder Bio-LNG ist eine von mehreren Lösungen, die auf unserem Weg zur klimaneutralen Logistik bis 2040 eine wichtige Rolle spielen. Langfristig setzen wir auf einen Technologiemix, der neben Book & Claim auch den Einsatz von E-Lkw, Brennstoffzelle sowie Bio- und E-Fuels umfasst – denn nur in Kombination lassen sich unsere ambitionierten Ziele im Rahmen von Mission Zero nachhaltig erreichen.
Wenn es um Antriebe der Zukunft geht, wo wird aus Ihrer Sicht die Reise hingehen?
MW: Aus meiner Sicht wird sich die Logistik der Zukunft technologieoffen entwickeln. Welche Antriebsformen sich letztlich durchsetzen, hängt stark vom weiteren technologischen Fortschritt ab. Elektro-Lkw haben ein großes Potenzial im Nahverkehr, sowohl Wasserstoff als auch Elektro-Lkw können perspektivisch im Fernverkehr eine Rolle spielen. Drop-In-Kraftstoffe wie HVO100 bieten schon heute eine praxistaugliche Möglichkeit, Emissionen spürbar zu senken. Wahrscheinlich wird es ein Mix verschiedener Lösungen sein – entscheidend ist, dass sie zur jeweiligen Anwendung passen und wirtschaftlich sowie ökologisch sinnvoll sind.
Glauben Sie, dass sich Book & Claim als Branchenstandard durchsetzen wird?
MW: In der Luft- und Seefracht ist Book & Claim aus meiner Sicht bereits ein Standard. Ich denke, es hat aber auch das Potenzial, sich im Straßentransport zu etablieren – insbesondere, weil wir Diesel in absehbarer Zeit nicht vollständig durch HVO oder andere alternative Kraftstoffe ersetzen können. E-Fuels werden voraussichtlich nur in begrenzten Mengen verfügbar sein und prioritär in anderen Sektoren eingesetzt werden, wie etwa in der Luftfahrt.
In diesem Kontext bietet Book & Claim eine praktikable Lösung, um Emissionsreduktionen bilanziell abzubilden – unabhängig davon, wo die tatsächliche CO₂-Einsparung erfolgt. Es ist also keine alleinige Lösung, sondern wie bereits erwähnt eine ergänzende Technologie, die gerade bei großen, international agierenden Logistikdienstleistern an Bedeutung gewinnen wird.
Vielen Dank, Herr Wieser, für die interessanten Einblicke in die Themen „Book & Claim“, HVO100 und Ihre Einschätzungen für die Antriebe der Zukunft.
Lesen Sie Sie auch, was Nachhaltigkeit für Marcus Wieser persönlich bedeutet im Beitrag „Nachhaltigkeit als gelebter Wert“.
1Scope 1, 2 und 3 sind Kategorien zur Einteilung von Treibhausgasemissionen:
Scope 1: Direkte Emissionen, die vom Unternehmen selbst verursacht werden, z. B. durch Verbrennung fossiler Brennstoffe in eigenen Anlagen.
Scope 2: Indirekte Emissionen, die durch den Verbrauch von zugekaufter Energie entstehen, z. B. Strom, der für den Betrieb benötigt wird.
Scope 3: Indirekte Emissionen, die in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens anfallen, z. B. Emissionen aus der Produktion von Materialien oder der Nutzung von Produkten durch Kunden. Diese Kategorisierung hilft Unternehmen, ihre Emissionen besser zu verstehen und zu steuern.